Schwarze Mückenlarven näher betrachtet
18. September 2006, 23:00
Die Larven der Stechmücke Culex pipiens sind – näher betrachtet – interessante
Pfleglinge. Ganz im Gegensatz zu ihrer Lebensweise als flugfähiges
Insekt (Imago) ernähren sie sich in der aquatischen
Entwicklungsphase ausschließlich von Algen und Einzellern, die
wiederum Algen besiedeln.
Diese Vegetarier machen eine erstaunliche Wandlung vom Paulus zum
Saulus durch – im Gegensatz zu manchem Menschen, der sich vom
Genuss tierischen Fleisches abwendet, um sich fortan
mit pflanzlichen Erzeugnissen zu laben, stürzen sich die
Mücken nach dem Schlupf aus der Larvenhülle sofort auf das
nächstbeste Säugetier, um herzhaft zuzubeißen.
Ob Waldis Bürzel
oder Omis Wadl ist der Mücke einerlei – gestochen wird, was nach
Buttersäure riecht und Kohlendioxid ausatmet. Das Blut fließt in
Strömen, und zurück bleibt eine erschlagene Mücke oder eine
fluchende Omi, die bei der Flucht womöglich noch auf Dackel Waldis Schwanz
tritt. Ein Heulen und Summen hebt an oder ebbt ab und mischt
sich mit dem Rotorengeknatter des rotierenden Dackelschweifes.
Na
bitte, alle haben dann ihre Beule, und wenn der Gestochene Pech
hat und in der Nähe des Äquators unfreiwillig Blut spendete, bleibt zur
Erinnerung an den Stichling womöglich noch eine unerquickliche
Malaria-Infektion, die von den hiesigen Gelsen übertragen
werden kann.
Dabei stechen – bitteschön – nur die Mückenweibchen, die Männchen
saugen artig Nektar an der Nelkenbar. Nach dem Blutschmaus reifen
im Mückenweibchen die Eier, die in Form von Schiffchen an der
Wasseroberfläche vornehmlich stehender Gewässer abgelegt werden.
Aus dem Moseskörbchen schlüpfen die Larven, die in ihrem neuen
Lebensraum je nach Temperatur des Gewässers in einigen Tagen bis
Wochen zum flugfähigen Insekt heranreifen.
Die Art der Gewässer könnte dabei unterschiedlicher nicht sein – regenwassergefüllte Autoreifen, Blechdosen, Kübel, Wassertonnen,
Teiche und Pfützen werden ausgewählt, um die nächste
Stechmückengeneration hervorzubringen.
Man kann die Eischiffchen
sammeln und zuhause in einem kleinen Aquarium zum Schlüpfen
bringen. Hartgesottene Heimlaboranten unter den Aquarianern versuchen sich in einer Mückenzucht, indem sie den Stechmücken blutgetränkte Tücher oder blutige Leber zum Verzehr anbieten. Die Larven werden mit Algenmehl, Mikrozell oder
Algenaufwuchs von Bachsteinen oder Aquarienscheiben, den man mit
einem rauen Haushaltsschwamm abreibt und in einem Litermaß
auswringt, gefüttert.
Das Fotografieren und Beobachten der Larven
macht Spaß und ist eine bereichernde Abwechslung auf dem
Speiseplan jedes interessierten Naturbeobachters und
Aquarianers.
Ein Fotobecken zum Fotografieren von Mückenlarven ist rasch
hergestellt – der Deckel einer
Deckgläschenbox (Automaten-Deckgläser), ein Objektträger quer
gestellt, um zumindest immer einige Mückenlarven nahe bei der
Kameralinse zu haben, als Unterlage dient die Unterseite eines Mousepads
– fertig.
Sieben auf einen Streich. Die gefährlich wirkenden Mundwerkzeuge
sind in Wirklichkeit harmlose Fächer, mit denen Algen ausfiltriert
oder vom Substrat gezupft werden.
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Wenn man genau hinsieht, kann man die Delle im Wasserspiegel
beobachten, die das Atemrohr der Mückenlarve verursacht. Es ist
schon eine gehörige Leistung der Larve, den Wasserspiegel so
einfach zu durchbrechen und dann mit seinen Fortsätzen am Ende des
Atemrohres die Verbindung zwischen den beiden Medien aufrecht zu
erhalten. Respekt!
Eine schwimmende Mückenlarve zu fotografieren ist sehr schwer. Mit
ihren Fächern wedelt die Larve durchs Wasser und kann dabei aktiv
den Standort wechseln. Das geschieht in zeitlos schöner Eleganz
mit einer Grazie, die man nur durch das Kameraobjektiv erfassen
kann.
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Ein indiskreter Blick von oben in die Atemrohre zweier
Mückelarven. Wenn man sich die Technik dieser
‘Berufsschiffbrüchigen’ ansieht fragt man sich, warum
Rettungsringe eigentlich rund gebaut werden und nicht kreuzförmig
wie bei den Mückenlarven. Wer ständig darauf angewiesen ist, an
der Wasseroberfläche zu treiben, entwickelt auch die bestmögliche
Konstruktion gegen ein unbeabsichtigtes Kentern oder Untertauchen.
Und diese Vorrichtung ist, wie erkennbar, nicht kreisrund, sondern
stern- oder kreuzförmig.
Und so könnte der Euro-Rettungsring, oder das Euro-Rettungsfloß,
nach dem Vorbild einer schwarzen Mückenlarve denn aussehen.
In den seitlichen Schwimmkörpern könnte man Notproviant unterbringen, die Unterseiten
mit Gewichten – entsprechend einem durchschnittlichen Weltbürger – vor
dem Hochklappen sichern und so einer unerwünschten Abdrift durch den Wind
vorbeugen.
In der Mitte des blau markierten Feldes hängt dann der
Schiffbrüchige (oder auch nicht ;-)
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Der grüne Strang in der Mitte der Larve macht deutlich, wovon sich
die Insektenlarven ernähren: Algen!
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Immer eine Borstenlänge Abstand zum Nachbarn. Dabei können in
fischlosen Kleingewässern tausende dieser Larven dichtgedrängt
nebeneinander ein Auslangen finden.
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Kommentar
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